Soldatengräber auf dem Wiener Zentralfriedhof

Im April 2014 besuchte ich den Zentralfriedhof in Wien. Eher beiläufig lenkte ich meine Schritte zur Gruppe 91, wo die Krieger des Ersten Weltkriegs einen eigenen Bereich für sich haben. Frappierend war für mich der Anblick der halb verfallenen Grabstätten. Dieser Zustand brachte mich ins Nachdenken.

Nach knapp hundert Jahren ist es vielleicht wenig verwunderlich, dass die Gräber in Vergessenheit geraten sind. Während ich durch die Reihen schlenderte, ging mir durch den Kopf, dass die oft sehr jung gefallenen Soldaten wohl selten Nachkommen gehabt haben dürften, die sich um die Gräber gekümmert haben. Nach dem Tod der Eltern und möglichen Geschwister gab es bestimmt oft keine Angehörigen mehr, die sich um das Grab hätten kümmern können.

Verwitterte und umgefallene Grabsteine
Verwitterte und umgefallene Grabsteine

Umgefallene Grabsteine, verbogene Laternen: Es entsteht der Eindruck, durch eine längst vergangene und vergessene Zeit zu marschieren. Umso seltsamer muten die wenigen Grablichter und Blumen an, die doch vor recht kurzer Zeit abgelegt bzw. entzündet wurden.

Wiese mit einem Grablicht in einer Laterne
Ein seltenes Grablicht in einer der Laternen

Ob hier wohl doch noch Angehörige vorbeikommen? Oder ob symbolisch Gräber ausgewählt werden, um an die Verstorbenen oder einen bestimmten Gefallenen zu erinnern? Bereits verblasste Namen auf zerfallenen Grabsteinen könnten darauf hindeuten.

Eine Schale mit Blumen vor einem verwitterten Grabstein
Blumen vor einem verwitterten Grabstein

Bei diesem Spaziergang erwachte mein Interesse dafür, wie an verschiedenen Orten an den Ersten Weltkrieg und die Soldaten, die in diesem Krieg „Für Gott, Kaiser und Vaterland“ „den Heldentod“ erlitten, erinnert wird. Geraten sie in Vergessenheit? Was war den Menschen, die die Grab- und Gedenkstätten errichteten wichtig?

Die Kriegsgräber in der Gruppe 91 sind halbkreisförmig um ein Kriegerdenkmal von Anton Hanak angelegt. Etwa 15 000 Soldaten verschiedener Nationen liegen hier begraben.1Hedwig Abraham: „Soldaten 1. Weltkrieg“. In: Kunst und Kultur in Wien, 2005, http://www.viennatouristguide.at/Friedhoefe/Zentralfriedhof/Index_Krieg_Bild/hanak.htm.

Gedenktafel für Gefallene der gegnerischen Armeen
Gedenktafel für Gefallene der gegnerischen Armeen


Dass auch den Gefallenen der Gegner Plätze und Gedenken am gleichen Ort reserviert werden, ist nicht selbstverständlich. Mit der Tafel, die die Nationalität und die Namen der auf dem Zentralfriedhof bestatteten Soldaten nennt, wird der Einsatz dieser Menschen für ihr Land geehrt: „In den Kriegsjahren 1914-1918 wurden auf dem Zentralfriedhof in Wien 1865 Soldaten der gegnerischen Heere bestattet. Sie starben für ihr Vaterland und ruhen ferne der geliebten Heimat im ewigen Frieden“, heißt es dort.

Der Großteil der Soldaten, die an diesem Ort begraben sind, waren jedoch Angehörige der k.u.k. Armee. Die meisten Gräber bestehen nur aus kleinen steiernen Gedenktafeln am Boden. Die größeren Grabsteine weisen in der Regel auf Offiziersgräber hin. Inschriften (wie etwa auf den Gräbern von Leopold Rittenauer oder der Brüder Picchiolutto, s.o.) glorifizieren in der Regel den Soldatentod. Einen hoffnungsvollen Gegenklang bietet der Grabstein des 1920 verstorbenen Rudolf Kuderna. „Friede“ ist dort zu lesen, ein Wunsch, der wohl erst nach 1918 auf einen Stein gemeißelt werden durfte.

Grabstein eines k.u.k. Oberst mit dem eingravierten Wort "Friede"
Friede: ein Wunsch auf einem in den 20er Jahren errichteten Grabstein

References
1 Hedwig Abraham: „Soldaten 1. Weltkrieg“. In: Kunst und Kultur in Wien, 2005, http://www.viennatouristguide.at/Friedhoefe/Zentralfriedhof/Index_Krieg_Bild/hanak.htm.

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